Service Letzte Änderung: 31.01.2023 14:53 Uhr Lesezeit: 4 Minuten
Jahrelang litt Nicole Hegmann unter zahlreichen Symptomen – von Lungenentzündungen über Magenbeschwerden bis hin zu Stimmverlust. Lange sahen die Ärzte keinen Zusammenhang – bis sie 2017 die Diagnose Mastozytose erhielt. Sie berichtet über ihre Erfahrungen mit der seltenen Erkrankung und warum sie sich in der Selbsthilfe engagiert.
(Teil 2/2) „14 Jahre dauerte die Ärzte-Odyssee bis ich schließlich die richtige Diagnose erhielt: eine systemische Mastozytose. In Kurzform heißt das: Mastzellen sind Zellen der körpereigenen Abwehr, die Botenstoffe durch den ganzen Körper transportieren. Bei einer systemischen Mastozytose produziert der Körper diese Zellen übermäßig. Das schädigt verschiedene innere Organe oder auch die Haut. Das Problem ist, dass diese übermäßigen Mastzellen durch den ganzen Körper transportiert werden und im Prinzip überall Symptome auslösen können. Das erklärt die völlig unterschiedlichen, scheinbar unzusammenhängenden, Symptome – und die sind bei jedem und jeder anders! Die eine hat extreme Hautprobleme, während der andere eine immer eingeschränktere Sehkraft hat. Alles ausgelöst durch die gleiche Grunderkrankung.
Dazu kommt: Die meisten Betroffenen reagieren stark auf so genannte ‚Trigger‘, das können zum Beispiel bestimmte Lebensmittel sein oder Duftstoffe. Kaufhäuser, die bestimmte Raumdüfte verwenden, kann ich nicht mehr betreten. Ich werde sofort knallrot und bekomme Atemprobleme.
Etwa 1000 Menschen in Deutschland leben derzeit mit der Diagnose einer systemischen Mastozytose. Die Dunkelziffer ist wesentlich höher, weil die Diagnose meist erst nach vielen Jahren voller Beschwerden gestellt wird, manche Betroffene erhalten sie vermutlich nie. Die Erkrankung ist zwar seit fast 150 Jahren bekannt, die Ursachen sind allerdings bis heute unklar.
Nach meiner Diagnose habe ich schnell eine Facebook-Gruppe für Betroffene gegründet, später habe ich den Verein ‚Mastozytose Selbsthilfe Netzwerk‘ gegründet. Der Austausch mit anderen ist enorm wichtig. Dabei geht es nicht nur um Themen wie Symptome, Medikamente oder Umgang mit den Behörden, sondern vor allem auch um soziale Aspekte. Wie können die Familie und der Freundeskreis mit der Erkrankung umgehen? Meine inzwischen erwachsenen Kinder und mein heutiger Mann haben mich oft krank erlebt, durch allergische Reaktionen auf Medikamente sogar in Lebensgefahr – das prägt selbstverständlich das Familienleben. Wenn ich mal einen guten Tag habe, will ich immer viel machen und erleben, auch wenn ich weiß, dass ich danach wahrscheinlich so fix und fertig bin, dass ich wieder auf Hilfe angewiesen sein werde. Die Krankheit ist Dauerstress für den Körper und die Psyche. Ich weiß kaum noch, wann ich das letzte Mal keine Schmerzen hatte. Und trotzdem geht es irgendwie weiter. Ich habe meine Aufgabe darin gefunden, andere Betroffene zu vernetzen, aufzuklären und auch Medizinerinnen und Mediziner für die Erkrankung zu sensibilisieren. Dabei ist die Diagnose eigentlich nicht so schwierig: Tryptase ist ein Botenstoff, der von Mastzellen freigesetzt wird. Liegt dieser Wert im Köper über 20, läuft irgendwas schief. Dann können sich die Fachleute weiter auf die Suche begeben – zum Beispiel nach Leukämie oder Mastozytose.
Eigentlich stehe ich nicht gern im Mittelpunkt, aber im Rahmen der Vereinsarbeit ist es für den guten Zweck: Ich gebe der Krankheit ein Gesicht.“
Was Nicole Hegmann vor der Diagnose erlebte, erfahren Sie im ersten Teil.
Der Verein Mastozytose Selbsthilfe Netzwerk e.V. setzt sich für Betroffene ein und verfolgt den Zweck, eine bessere Aufklärung und Unterstützung von Mastozytose-Patienten und deren Angehörigen zu gewährleisten. Dies geschieht durch unter anderem durch Beratung, Informations- und Hilfsangebote.
Am 28. Februar ist der "Tag der Seltenen Erkrankungen". Deswegen setzen wir diesen Monat diesen Themenschwerpunkt.
Weitere Informationen finden Sie hier:
Seltene Erkrankungen (Bundesministerium für Gesundheit)
www.bundesgesundheitsministerium.de
Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen (Achse)
www.achse-online.de
Nationales Aktionsbündnis für Menschen mit seltenen Erkrankungen (Mukoviszidose Institut gGmbH mit Förderung des Bundesministeriums für Gesundheit)
www.namse.de
Versorgungsatlas für Menschen mit Seltenen Erkrankungen (Universitätsklinikum Frankfurt)
www.se-atlas.de
Zentrales Informationsportal für Seltene Erkrankungen (Stiftung Gesundheitswissen)
www.portal-se.de
Eva Luise und Horst Köhler Stiftung (für Seltene Erkrankungen)
www.elhks.de
Portal für Seltene Erkrankungen und Orphan Drugs (Französisches Gesundheitsministerium / Europäische Union)
www.orpha.net
Haben Sie eine Seltene Erkrankung, suchen Rat und Selbsthilfegruppen? Wenden Sie sich gern an die Kooperationsberatung für Selbsthilfegruppen, Ärzte und Psychotherapeuten (KOSA) der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein.